Aussagepsychologische Gutachten

Gutachten im Bereich Aussagepsychologie werden auch als Glaubhaftigkeitsgutachten oder gelegentlich als Glaubwürdigkeitsgutachten bezeichnet. Aussagepsychologische Gutachten werden vom Gericht (Straf- oder Familiengericht) oder der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben, wenn diese aufgrund mangelnder Fachexpertise nicht ausreichend beurteilen können, ob eine Zeugenaussage auf einer erlebnisbasierten Grundlage beruht. In der Regel tritt dieser Fall ein, wenn es sich um eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation handelt und keine objektiven Beweise für den Tatvorwurf vorliegen.

Als Aussagepsychologische Sachverständige werde ich dann hinzugezogen, wenn besondere Umstände vorliegen, sei es aufgrund der Persönlichkeit des Zeugen bzw. der Zeugin oder des geäußerten Sachverhalts selbst. Gemäß § 81c StPO ist die Teilnahme an einer aussagepsychologischen Begutachtung für den Zeugen freiwillig.

Anlässe für Gutachten im Strafrecht:
  • Glaubhaftigkeitsgutachten

Aussagepsychologische Gutachter und Sachverständige

Die aussagepsychologische Begutachtung erfolgt hypothesenorientiert, d.h. eingangs werden auf Grundlage der Anknüpfungstatsachen Annahmen über ein mögliches Zustandekommen einer etwaig falschen Aussage aufgestellt. Dabei werden in der Regel folgende Varianten von Unwahrannahmen überprüft: Dass die Aussage auf einer absichtlichen Falschaussage basiert oder durch Einflüsse Dritter / durch psychologische Besonderheiten in der aussagenden Person verfälscht oder verzerrt worden ist.

Ablauf eines aussagepsychologischen Gutachtens

Nach Erteilung des Auftrags für eine aussagepsychologische Begutachtung erfolgt die intensive Auseinandersetzung mit der Aktenlage über die bereits vorausgegangenen Untersuchungen (beispielsweise Zeugenvernehmungen gegenüber der Polizei) und erhobenen Beweismittel. Darauf aufbauend werden sogenannte Null- oder Unwahrhypothesen erstellt, die der Wahrannahme gegenübergestellt und nach und nach abgeprüft werden.

Hierfür wird die betroffene Person persönlich oder bei Minderjährigen über die Erziehungsberechtigten schriftlich eingeladen. Im Schreiben ist die Belehrung enthalten, die im Vorfeld zurück zu senden ist, um die Zustimmung zur Begutachtung zu geben. Dabei wird die Person über die Freiwilligkeit der Begutachtung gemäß § 81c StGb und Aufhebung der Schweigepflicht informiert.

Die anschließende Untersuchung erstreckt sich durchaus auf mehrere Stunden. Die persönliche Verfassung der betroffenen Person wird stets berücksichtigt. Die Untersuchung kann daher gegebenenfalls auf mehrere Termine aufgeteilt werden. Die aussagepsychologischen Explorationsgespräche finden in der Regel in unseren Räumlichkeiten statt. Gelegentlich werden die örtlichen Polizeipräsidien in Anspruch genommen.

Das schriftliche aussagepsychologische Gutachten wird letztlich auf Grundlage der Befundtatsachen und der relevanten Informationen aus der Gerichtsakte (Anknüpfungstatsachen) erstellt. Das aussagepsychologische Gutachten wird zunächst als vorläufig erachtet. Bei Bedarf wird zu einem späteren Gerichtstermin eine mündliche Stellungnahme abgegeben.

Hauptaspekte einer Aussageanalyse

Der Gesamtbeurteilung einer Aussage in einem aussagepsychologischen Begutachtungskontext geht eine schrittweise Untersuchung der Aussageinhalte und aussagenden Person in Hinsicht auf die Konstrukte: Aussagetüchtigkeit, Aussagezuverlässigkeit und Aussagequalität voraus.

  • Aussagetüchtigkeit (Befragbarkeit): Die Fähigkeit einer Person, über einen bestimmten Sachverhalt überhaupt eine angemessene Aussage machen zu können.

  • Aussagezuverlässigkeit: Die Zuverlässigkeit einer Aussage unter Berücksichtigung potenzieller Fehlerquellen während des Aussageprozesses. Hohe Aussagezuverlässigkeit ist anzunehmen, wenn die Aussage des Zeugen nicht durch Einflüsse Dritter, durch bestimmte Motive bzw. Motivation der Aussageperson, aber auch der Befragenden, durch wiederholte oder lenkende Befragung oder durch psychologische Besonderheiten der aussagenden Person verfälscht oder verzerrt ist.

  • Aussagequalität: Das Qualitätsniveau einer Aussage im Verhältnis zur Fähigkeit der aussagenden Person, Informationen angemessen zu vermitteln, auch unter Berücksichtigung der Aussagekonstanz über die Zeit.

  • Das zentrale methodische Vorgehen folgt einer schrittweisen Überprüfung von Gegenannahmen zur Wahrannahme.

  • Die Unwahrhypothese wird so lange beibehalten, bis sich diese mit den erhobenen Befunden nicht mehr vereinbaren lässt und eine Wahrannahme angenommen werden muss.

  • Die einzelnen Befunde zu den drei Ebenen werden fallspezifisch unterschiedlich gewichtet und in einen hypothesengeleiteten diagnostischen Prozess implementiert.

Mindestanforderungen für aussagepsychologische Gutachten

Gemäß Urteil des Bundesgerichtshofs BGH 1 StR 618/98 vom 30.07.1999 lauten die Mindestanforderungen für aussagepsychologische Gutachten:

  • Glaubhaftigkeit anstelle von Glaubwürdigkeit: Die Beurteilung konzentriert sich auf die Glaubhaftigkeit einzelner Angaben und nicht auf die dauerhafte Glaubwürdigkeit als persönliche Eigenschaft.
  • Hypothesengeleitete Diagnostik: Die Untersuchung erfolgt planvoll durch die Bildung von Hypothesen, die anschließend mittels spezifischer Prüfstrategien überprüft werden.
  • Angepasster Einsatz von Methoden: Die Auswahl der angewendeten Verfahren ergibt sich aus den gebildeten Hypothesen, wodurch eine methodische Indikation entsteht, die die weitere Vorgehensweise bestimmt.
  • Aggregation von Indikatoren: Die Schlussfolgerung des Gutachtens basiert auf der Gesamtheit aller Indikatoren und nicht nur auf einzelnen Merkmalen.
  • Individuelle Bewertung durch Vergleich von Qualität und Kompetenz: Die Beurteilung einer Aussage erfolgt durch den Vergleich der Aussage mit der aussagenden Person und dem Kontext, in dem die Aussage gemacht wurde.
  • Nachvollziehbarkeit und Transparenz: Die Schlussfolgerungen des Gutachtens werden gemäß dem wissenschaftlichen Transparenzgebot für alle beteiligten Parteien verständlich und transparent dargelegt.

Unterschied zwischen Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit

Glaubhaftigkeit bezieht sich auf die Überprüfung der Richtigkeit einer Aussage, insbesondere einer Belastungszeugenaussage. Dabei wird der Inhalt der Aussage begutachtet, um festzustellen, ob er plausibel und glaubwürdig ist. Die Bewertung konzentriert sich somit auf die Aussage selbst.

Im Gegensatz dazu steht bei der Glaubwürdigkeit die Person im Mittelpunkt der Bewertung. Hierbei werden die dauerhaften persönlichen Eigenschaften der aussagenden Person betrachtet, um deren generelle Glaubwürdigkeit zu beurteilen. Die Fokussierung liegt nicht mehr auf dem Inhalt der Aussage, sondern auf der Zuverlässigkeit der Person als Zeuge.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass eine unglaubwürdige Person durchaus eine glaubhafte Aussage machen kann, während eine glaubwürdige Person eine nicht glaubhafte Aussage tätigen kann. Daher bevorzugt der aktuelle Fachstandard in der Aussagepsychologie den Begriff der Glaubhaftigkeit, da dieser sich am Inhalt der Aussage orientiert und den aktuellen Erkenntnisstand der Fachwissenschaft widerspiegelt. Obwohl der Begriff des „Glaubwürdigkeitsgutachtens“ weiterhin verwendet wird, ist der Begriff „Glaubhaftigkeitsgutachten“ präziser und entspricht besser dem aktuellen Stand der Forschung (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs BGH 1 StR 618/98 vom 30.07.1999).

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